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«Wandzeitung» vom 16.2.2015:

Die Freiheit hört dort auf, wo andere verletzt werden:

Satire muss Grenzen kennen.

Als ich von dem blutigen Anschlag auf den Sitz des Satire-Magazins «Charlie Hebdo» in Paris erfuhr, bei dem zwölf Menschen getötet wurden, war ich natürlich geschockt. Und wie alle Personen, die in den darauffolgenden TV-Debatten und Zeitungsartikeln Dinge ansprachen, die nicht im Zentrum der Diskussionen standen, sage nun auch ich: Dieser Anschlag darf durch nichts entschuldigt werden, ist einfach nur barbarisch.

Ich wundere mich noch immer, dass nach den Anschlägen nicht eingehender darüber diskutiert wurde, wie weit Satire gehen darf. Satire sollte doch dort aufhören, wo die Gefühle anderer verletzt werden. So finden es wohl die meisten Erdenbürger stossend, den Propheten Mohammed mit einem Tier kopulierend auf einer Karikatur abgebildet zu sehen.

In vielen Ländern wäre es schon eine Undenkbarkeit und eine Respektlosigkeit sondergleichen, einen Präsidenten mit einem nackten und erigierten Penis zu zeichnen – möge der Präsident noch so unbeliebt sein. Frankreichs Präsident François Hollande war so auf der Titelseite einer «Charlie Hebdo»-Ausgabe abgebildet. Anscheinend findet es das französische Volk in Ordnung und nicht etwa grenzüberschreitend oder schlicht geschmacklos, seinen Präsidenten so dargestellt zu sehen.

Interessant, dass die Antwort auf die Frage, ob Satire alles darf oder eben nicht von Menschen verschiedener Nationalitäten und Mentalitäten so oder so beantwortet wird. Für einen US-amerikanischen Bürger kommt die Karikatur eines halbnackten Präsidenten ebenso wenig in Frage wie für einen Schweizer.

Ein Gleichnis: Man sagt, dass wenn nur eine Person in einer Gruppe Angst oder ungute Gefühle in einer bestimmten Situation hat, man sich der Angst dieser einen Person entsprechend verhalten und zum Beispiel Sicherheitsmassnahmen treffen soll. Dasselbe müsste für Satire in Religionsfragen gelten: Weiss man, dass man eine Religionsgruppe durch eine entsprechende Karikatur verletzt oder provoziert, solle man von ihr absehen. Denn Fundamentalisten fühlen sich so gedemütigt und in ihrer Ehre beschmutzt, dass sie hasserfüllt zur Waffe greifen.

Meine zweite Reaktion nach dem Anschlag auf die «Charlie Hebdo»-Redaktion war Angst. Angst vor der Dummheit von Menschen, die klare Grenzüberschreitungen mit dem Recht auf freie Meinungsäusserung und Pressefreiheit verwechseln! Angst vor einem Krieg, der dadurch leichtfertig entfacht werden könnte.

Die iranische Regierung hat einen Holocaust-Karikaturen-Wettbewerb angekündigt. Für «die beste» judenfeindliche Karikatur soll es 12 000 Dollar geben. Die Karikaturen sollen sich über den systematischen Mord an sechs Millionen Juden lustig machen, den Holocaust leugnen oder zumindest relativieren. Bis April können die Karikaturen eingereicht werden. Die Zeichnungen werden zuerst im Palästinenser-Museum für zeitgenössische Kunst präsentiert. Die westlichen Karikaturisten holen dann bestimmt zu ihrem Gegenschlag aus. Eigentlich ist der Krieg schon entfacht.

 

 


Rosmarie Schoop,
16.2.2015, 114. Jahrgang, Nr. 47.

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19.2.2015, 20:45 Uhr.

Ruth schrieb:

Danke, Rosmarie!


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