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«Wandzeitung» vom 7.5.2015:

Mami, Mami, jetzt gibt’s einfach meine Gesichtspflegecrème nicht mehr:

Dolce Vita ohne dolce Vita-Merfen?

Mein gemeinsames Leben mit Vita-Merfen ist die längste Beziehung, die ich je in meinem Leben pflegen konnte oder durfte, das heisst: Vita-Merfen ist seit unserer ersten Begegnung eine Art Partnerin, allzeit sehr wohltuend für meine Gesichtshaut, und ich anderseits ganz offensichtlich ein lukrativer weil treuer Pharmakunde. Tag für Tag seit 45 Jahren, womöglich sogar seit 47 Jahren, begann ich mit der Rasur, weil ein bisschen überraschend ausserhauts – gut sichtbar – so ein dunkler Flaum in meinem Kaubereich wuchs. Das wirkte nebst den eh schon peinlichen Bibeli, Pickeln, Pusteln voll schmuddlig, eklig, also ungepflegt, und das ging und geht ja gar nicht! Nie! Zuerst versuchte ich es ja mit klassischem Rasierschaum – auf Rat meiner Mutter. Doch die Gesichtshaut brannte täglich schmerzlich, ich dachte amix, die versengt mir den eh schon lädierten Teint, löst sich ab und ich habe eine widerliche offene feurige Fratze. Sonscheiss, Mann! Die Frau meines damaligen Lebens war klar mein Mameli, und die gab mir – weil sie mich nicht leiden sehen wollte oder konnte – den brillanten Rat, nach jeder Rasur mit dieser bereits genannten desinfizierenden Wundheilsalbe das Gesicht einzureiben, was Tag für Tag wohl schon nach kaum sechzig Sekunden diesen lästigen Entzündungsschmerz eliminierte.

Als ich dann für ein Jahr in Lugano lebte, in totaler und noch fast unfassbarer Freiheit und entzückendem Wohlbefinden, spazierte ich durch meine geliebte Wahlheimat und entdeckte plötzlich voller Entzücken diese Pharmafabrik in Lugano, die damals Vitamerfen herstellte. Das empfand ich freilich als sehr gutes Omen. Wann diese meine glücksspendende Produzentin in den Besitz des berühmten Unternehmens Novartis überging, das entging leider meiner Aufmerksamkeit. Das segensreiche Mittel gegen kleine Wunden aller Art, Hautschrunden und leichtere Brandwunden kaufte und kaufe ich in den 20-Gramm-Tuben fürs Nessesair und diejenigen à 100-Gramm für den Spiegelschrank.

Doch jetzt heisst es plötzlich in den Winterthurer Apotheken, diese Salbe könne derzeit nicht geliefert werden. Später wird nachgeschoben, dass – warum auch immer – dieses Produkt nicht mehr hergestellt wird. Aber hallo! Ich mache jetzt also kleine Hamsterkäufe, immer mit der Verbrauchsdatumskontrolle. Nie mehr kann ich auf diese Tube drücken, ich fasse das nicht! Dolce Vita ohne Vita-Merfen, das geht ja gar nicht. Nie mehr: «Mami, Mami, Vita-Merfen.» Sogar die Mütter können mit diesem weiland heilenden Tipp nicht mehr punkten, weil Novartis diese Traditionssalbe aus dem Handel zieht. Der Pharmariese teilt seinen Entscheid nur den Apotheken mit, dass das Edelprodukt nicht mehr produziert wird. Als Grund gibt Novartis an, in den letzten Produktionsrunden sei deutlich geworden, dass keine Lösung zur Einhaltung der angestrebten hohen Qualitätsstandards zu finden sei. Genauere Angaben zum Rückzug des Sälbelis sind nicht in Erfahrung zu bringen. Die Firmenredenden aber betonen, dass diese Entscheidung die Interessen der Konsumenten am besten widerspiegelt. Wow! Doch untreu wie wir Menschen sind, gehe auch ich einfach auf die Suche nach einer echten Alternative.


Guido Blumer,
7.5.2015, 114. Jahrgang, Nr. 127.

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