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Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
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«Wandzeitung» vom 21.3.2016:

Wenn Du eine Rose schaust, sag, ich lass sie grüssen. Heinrich Heine, aus Neuer Frühling:

Rosen, Rosen leben, Rosen sterben.

Seit wir uns kennen, und das sind nun elf Jahre, kaufe ich für meine Frau im Blumenladen des hiesigen Coop-City – fast Woche um Woche – eine einzelne bezaubernde Rose. Immer die von mir als schönste auserkorene. Ich betone fast, weil es schon vorkommt, dass eine einzelne Blüte bis zu drei Wochen lang in der wunderbarsten schweren dunkelblauen Glasvase gedeiht, auf dem grossen schwarzen runden Tisch. Je nach dem Durst des Plänzchens giesse ich täglich mindestens einmal leckeres Winterthurer Wasser nach: ins kühle Nass mit Blumennahrung. Aqui: unberührt und rein. Ich poste keine Rosen-Sträusse. Niemals! In diesem Stengel-Gedränge kann man die Persönlichkeit des einzelnen Pflänzchens nicht erkennen und die Schönheit des Blütenindividuums kommt schlicht nie zur Geltung. Es gibt bei uns am torlosen Obertor auch niemals eine zweite Pflanze in der Wohnung. Ich zahle gerne zwei gute Batzen für eine herausragende Kreatur: Einen Fünfliber und einen Fünfziger. Mal für mal. Der Preis spielt mir indes absolut keine Rolle. Allein die beiden Lebewesen stehen im Zentrum! Mein Schatz und deren wunderbare Rose. Grad letzte Woche habe ich eine gelbe Rose gekauft, womöglich eine Dorola, indes eher keine Helmut Schmidt, weil zweitere mit einem Hauch Rot verzaubert ist, also nur einem bisschen Sozialismus. Sie ist von unpolitischer Art honigfarben, mit grosser schwerer Blüte und sehr feinem, eher schwachem dünnem Stengel. Das fast güldene Strahlen der wohlgeformten Petalen lässt die Grossartigkeit der Schöpfung dieser herrlichen Einmaligkeit nur ein bisschen erahnen. Doch die Rose konnte ihren schweren Blust nicht aufrecht tragen, das Schönste dieser Pflanze senkte sich bis zur tristen Trauerhaltung.

Es mag nun etwas abgehoben tönen, aber als routinierter Rosenflüsterer hauchte ich dem Geschöpf mehrmals entgegen, dass es eine Schönheit sei und guten Grund zum stolzen Aufrechtstehen habe. Ich pflege in einer solch blümeranten Situation meine Hände um die Blume zu halten, ohne sie zu berühren, mit dem Sinn, dass meine stets aktivierte Körperwärme dem Blust verinnerlicht wird. Vielleicht ist es ja auch so was wie positive Energie, die ich zu verschenken versuche. Ämel stand die güldene Rose nach zwei Stunden senkrecht im Glas, sodass es eine Freude war. Ich lobte dieses geschnittene Pflänzlein über alle Massen. Das Experiment ist nebenbei bemerkt schon oft gelungen. Ziel ist es allemal, dass die Blume zumindest sieben Tage in ihrer Noblesse erstrahlt. Oft ist es eine Ambassador, eine orangerot leuchtende Blühpflanze; eine Baccara, die rote Klassische; die Berliner Luft: die Gelborange. Und die Disco, eine weisse Rose mit kühlrotem Hauch. Art für Art, ist die Rose, die Königin aller Blumen.

Um es mit dem Lied des aserbaidschanischen Dichters Mirza Schaffy zu dozieren: «Der Rose süsser Duft genügt, man braucht sie nicht zu brechen. Und wer sich mit dem Duft begnügt, den wird der Dorn nicht stechen.» Die wunderbaren Rosen, gewachsen wie geschnitten, sie sind edel und dennoch sterblich wie alle göttlichen Lebewesen. Rosen leben. Rosen sterben.


Guido Blumer,
21.3.2016, 115. Jahrgang, Nr. 81.

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