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«Wandzeitung» vom 3.4.2016:

Unerwartet:

Lieber Klaus.

Ich muss es gleich an Anfang loswerden: Dein Ruf hat mir nie gefallen. Böse, nachtragend, unversöhnlich, aggressiv, das sind noch die schöneren Bezeichnungen. Du seist ein richtig böser Kerl, einer, dem man lieber nicht persönlich begegnen möchte. Aber natürlich reizt mich so etwas ganz besonders: Zu erfahren, wie dieser Mensch denn WIRKLICH ist.

Lieber Klaus, es war in Paris, als wir uns zum ersten und einzigen Mal getroffen haben, ganz zufällig. Ich sass nach einem beeindruckenden Interview mit dem Komponisten Darius Milhaud in meinem Lieblingsrestaurant, der Brasserie de lsle Saint Louis beim späten Mittagessen. Ich war gerade an einem wundervollen Entrecote und einem Glas Burgunder, als du dich von deinem Tisch Richtung Toiletten bewegtest. Ich war nicht sicher, ob du es warst, ich sah dich vor allem von hinten. Von der Statur her konntest du es sein: Klein, mit dem dir eigenen lebhaften Schritt. Als du zurückkamst, sah ich: Ja, du bist es tatsächlich. Ich habe dich mit «Hallo» begrüsst, und du hast mich blitzenden Auges angeherrscht: «Kennen wir uns?» Nein, wir kannten uns damals noch nicht, aber ich habe gefragt, ob ich dich interviewen könne. Antwort: «Ich schick dir meinen Pressemann!» Es kam ein rothaariger junger Mann zu mir und teilte mir mit, dass ich in 14 Tagen einen Termin haben könne. Ich habe lachend erwidert, das gehe leider nicht, mein Zug fahre schon in wenigen Stunden, es sei jetzt oder gar nicht. Da kamst du, Klaus, mit raschen Schritten und der Aufforderung, mitzukommen. Wir überquerten die Strasse vor vom Pont Louis Philippe, betraten eins dieser wunderbaren alten Häuser der Ile Satin Louis und stiegen nach oben in deine zauberhafte Wohnung. Zwar war deine offizielle Adresse an der Avenue Foch, aber betuchte Stars haben ein pied a terre auf der Insel.

Leider war ich auf ein Interview mit dir nicht vorbereitet und begann meine Fragen aus dem Stegreif. Deine Antworten waren unmöglich, und nach zwei Minuten hast du mich gefragt, welche Filme von dir ich denn gesehen hätte. Oh, gerade nur einen, «Ein amerikanischer Freund» von Wim Wenders. Da hast du mich angeschnauzt, dass Gott erbarm: Das hatte ich noch nie erlebt, ja, du machtest deinem Ruf alle Ehre! Ich war drauf und dran, mein Aufnahmegerät einzupacken. Das wäre das erste Mal gewesen, dass ich aufgebe und davonlaufe. Das wollte ich dann doch nicht. Ich blieb und wechselte vom Reporter zum Mann von der Strasse, der naiv fragt. Nachdem das klar war, kamen die heiklen Fragen, zum Beispiel ob du mit allen Freuen schläfst, die dir im Film begegnen, da warst du plötzlich in deinem Element und hast freimütig und ehrlich geantwortet. In deinen grünen Augen blitzte der Schalk und als wir nach einer halben Stunde das Gespräch beendeten, hast du mir noch ein schönes Foto geschenkt, für das ich am Radio in meiner Sendung leider keine Verwendung hatte, ein Foto, auf dem du mit nacktem Oberkörper zu sehen bist, im Arm deine dreimonatige Tochter Nastassia – ein rührendes Bild, das den Bösewicht vergessen lässt. Lieber Klaus, du hast dich von der Welt verabschiedet. Aber ich danke dir heute für das eindrückliche Gespräch!

 


André Bernhard,
3.4.2016, 115. Jahrgang, Nr. 94.

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Standpunkte:

4.4.2016, 11:51 Uhr.

Rosmarie Schoop schrieb:

Im Text steht, Klaus Kinski sei in seinem Element gewesen, als er über seine sexuellen Erfahrungen mit Frauen sprach. Auch von seiner Tochter Nastassia ist im Text die Rede. Dieselbe Tochter habe gesagt, dass sie froh gewesen sei, als ihr Vater starb. Zeit ihres Lebens habe sie Angst vor ihm gehabt. Im Gegensatz zu ihrer Schwester Pola, die von Kinski vergewaltigt wurde, sei Nastassia «nur» bedrängt worden, ab ihrem fünften Lebensjahr. Klaus Kinski habe mal gesagt, er verstehe nicht, weshalb sexuelle Handlungen an Minderjährigen hierzulande strafbar sind, während die Minderjährigen anderswo verheiratet würden. Eklig.


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