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«Wandzeitung» vom 18.2.2016:

Alltägliches?

Besuch in der Nacht.

Die furchtbarste Terrorwelle Frankreichs nimmt ihren Lauf. Atemlos folge ich dem Bericht im TV. Auf dem Weg zur Toilette höre ich die Kieselsteine hinter dem Haus, mein Fenster ist offen. Der Nachbar ist um diese Zeit nicht mehr unterwegs, da ist einer, der nicht hierher gehört. Die Fasnacht ist wieder angebrochen, viele Betrunkene ziehen an unserem Haus vorbei und machen gern einen Pipihalt. Dass sie sich oft Hauswand, Baum und Garten dafür aussuchen, macht mich wütend. Ich lasse gern die Nachtluft hinein und bin schon öfter geweckt worden durch das vertraute Plätschern. Ich habe einen leichten Schlaf, mein internes Alarmsystem ist sensibel. Was soll man tun? Ich hab schon rausgeschrieben, sie sollen sich «verpissen», aber das Geschäft hatten die dann ja schon gemacht.

Ich schaute also, dass ich so lautlos wie möglich zum Fenster kam. Ich klappte den Klodeckel runter, damit ich drauf steigen konnte. Draussen war es finster, ich lauschte. Während ich wartete bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, waren meine Ohren gespitzt. Ich scannte die Umgebung ab. Die Gestalt war still gestanden, es war kein Laut zu hören. War mein «Anschleichen» doch bemerkt worden? Ich suchte den Kompost ab, den Platz vor Karls Haus. Auf unserer Hausseite konnte er nicht sein, sonst wäre der Bewegungsmelder angesprungen. Wusste der Typ davon? Ich spürte seine Anwesenheit. Mein Herz fing heftig zu klopfen an. Ich lauschte angestrengt, dass er sich verraten würde, wartete auf das Ratschen des Reissverschluss. Neben Karls Briefkasten glaubte ich eine Gestalt auszumachen, in hellem Anzug. Aber konnte das sein? Ich hörte ein leises Rascheln, sah aber keine Bewegung. Was macht der da? Wollten sich gar Zwei für eine schnelle Nummer zurückziehen? Vom Platz her fast nicht möglich. Der Typ stand in die Ecke gedrängt. Ich konnte nicht ausmachen, ob er mir den Rücken zukehrte oder mich direkt ansah. Wenn ich Pech hatte, war mein Gesicht deutlich zu sehen. Jedenfalls versuchte der Eindringling nicht aufzufallen. Wollte er sich verstecken oder gar in den Schuppen einbrechen? Kannte er sich hier aus?

Wir verharrten beide. Ich wollte irgendetwas tun. Wenn ich rufen würde, war ich als Frau erkennbar. Mein Mann schlief tief und fest und war nicht zu wecken. Es kam mir vor, als ob der Mann auf etwas warten würde. Immer noch kein Reissverschluss, der war auf der Hut. Einen Moment lang zweifelte ich an meinem Verstand. Hatten mich die Bilder im TV dermassen erschüttert, dass ich Gespenster sah? Ich holte eine Rolle WC-Papier. Dass der sich bedanken könnte, weil er ja sein Geschäft verrichten wollte, kam mir erst später in den Sinn. Vorsichtig zielte ich und schoss, so weit wie ich konnte. Das Ding spritzte ein paar Steine auf, schlug aber etwa 2 Meter vor der Gestalt auf den Boden auf. Wenn der sich erschrocken hatte, liess er sich nichts anmerken. Es war weiterhin kein Laut zu hören. Ich wartete noch eine Weile, aber nichts geschah. Da gab ich auf und verzog mich wieder ins Bett. Später lag da nur noch die Rolle, die Gestalt war verschwunden! Ich werde mir eine Trillerpfeife anschaffen.

 

 


Momo Appenzeller,
18.2.2016, 115. Jahrgang, Nr. 49.

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