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«Wandzeitung» vom 25.2.2016:

EIN SATZ:

Da da da.

Los, Paul, du musst ihm fest in die Eier haun. LIEDTEXT VON TRIO.

1980, als die Migrationsangst für einmal nicht im Vordergrund stand, schwappte die Neue Deutsche Welle auch auf die kleine Stadt über, die wir alle gut kennen, und die inzwischen fast gross geworden ist. Mit Hits wie «Ich will Spass», «Goldener Reiter» oder «Hurra, hurra, die Schule brennt».

65 Jahre zuvor war in der benachbarten Grossstadt mit dem Café Voltaire eine Bewegung entstanden, welche das «da» zwei Mal verwendete. Sowohl sie als auch Trio waren sprachlich konsequent. Die Bewegung in Zürich nannte sich «Dada»: ein «Da» für Hugo Ball und eins für seine Partnerin Emmy Hennings. Die deutsche Band verwendete in ihrem Megahit «Dadada» je eins für jedes ihrer Mitglieder, den Sänger, den Gitarristen und den bekennenden Nichtmusiker, einen Clown, der während des ganzen Auftritts unbewegt dreinschaute wie Buster Keaton und dabei das Schlagzeug traktierte. Trio erklärte vor Jahren in sehr offener Wortwahl, die sich auch im Anfangszitat spiegelt, der Sänger sei der Kopf, der Gitarrist das Herz und der Clown der Arsch der Band.

2016 kann sich so etwas niemand mehr erlauben. Nur schon das Zitieren provoziert einen Shitstorm, es ist weder wand- noch sonst zeitungstauglich. Einmal ist es androzentrisch, weil nur von Männern, einem Paul und einem weiteren die Rede ist, von dem ein Teil der primären Geschlechtsorgane in Umgangssprache beschrieben wird. Der Satz am Anfang dieser Kolumne befindet sich quasi in der Managementetage, weshalb eine Frauenquote von mindestens 30 % zu fordern ist. Entweder ist eine Paula angesagt, oder dann sind gleichwertige weibliche Geschlechtsmerkmale als Ziel der im Satz erwähnten Handlung zu fordern. Diese Organe hier adäquat zu umschreiben, würde nochmals einen Shitstorm auslösen, weshalb ich schweren Herzens darauf verzichte.

0 Prozent Quote ist nichts gegen die Verherrlichung körperlicher Gewalt mit der Aufforderung zum Haun. Ein Schlag ins Gesicht der Gewaltprävention. So in diesem Zusammenhang die Formulierung «Schlag ins Gesicht» erlaubt ist.

Die kompetitive Aufforderung «Los» disqualifiziert den Liedtext zusätzlich. Politisch korrekt ist eine Ansprache nur dann, wenn sie den freien Willen der Person, die tätig werden soll, in keiner Weise einschränkt. Sodann gebietet es die Chancengleichheit, dass auch Personen, die willens aber aus konstitutionellen Gründen nicht in der Lage sind zu hauen, die Handlung ebenfalls ausführen können. Wenn ich also Paul heisse und mir an der Fasnacht die Arme gebrochen habe, weil ich auf dem Konfettimatsch ausgeglitten bin, habe ich trotzdem Anspruch darauf, nach meinen Fähigkeiten und Möglichkeiten einbezogen zu werden.

A propos Fasnacht. Vielleicht war die Fasnacht der früheren Jahrhunderte ja Dada avant la lettre. Und ist vielleicht die heutige sein kurzes, jährliches Aufbäumen. Aber nur sehr vielleicht.

 

 


Adrian Ramsauer,
25.2.2016, 115. Jahrgang, Nr. 56.

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