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«Wandzeitung» vom 9.5.2016:

EIN SATZ:

Völker, hört die Lügensignale.

Und ’s ist alles nicht wahr. JOHANN NESTROY.

Manchmal hören oder lesen wir etwas wahrhaft Erfreuliches. Wenn wir die Postillen konsumieren, die jede halbwichtige Institution in unseren Briefkasten flutet, sogar nicht nur manchmal, sondern immer. Da ist alles schön, kompetent, professionell, von nicht abebben wollendem Lächeln umspielt. So wie bei der Packungsbeilage der Brausetabletten, nach der ein wohlschmeckendes Getränk hervorsprudelt, wenn wir den pharmazeutischen Pressspan in ein Glas Wasser geben. So nutzen sich positiv besetzte Begriffe ab. Wohlschmeckend wird schal, ’s ist eben alles nicht wahr.

Das Gegenteil des Hochglanzgeschwurbels sind die Postillen, die Alarm schlagen. Wir lesen davon, welches Tier gerade ausstirbt und welcher böse Mensch dummerweise nicht. Wir lesen – vom Plotter in zittriger Kinderschrift ausgedruckt – von Hungersnot. Von Flüchtlingen, die ertrinken, entweder im Meer, in das sie sich todesmutig hineingestürzt haben, oder im Morast vor den inzwischen geschlossenen Grenzzäunen auf dem Weg zu Ländern, in denen die Postillen spriessen.

Da hilft nur unsere Spende, Einzahlungsschein anbei. Ausser bei den Goldankäufern und Bibelgruppen. Aber auch da ist natürlich alles nicht wahr. Weder der faire Preis im Goldankauf noch die Erlösung auf Erden bei Annahme des rechten oder linken Glaubens.

Nach dem Gesetz von Aktion und Reaktion müssten sich die Wirkungen der Erfolgsstories und jene der Sozial-, Umwelt-, Gewalt- und Konsumentenschutzalarme aufheben. Aber auch das ist nicht wahr. Wohlschmeckend und Ausländerkriminalität ergeben zusammen nur die stete Öde des Alltags. Da freuen wir uns doch, wenn wir eine wahrhaft schöne Geschichte lesen. Von einem Asylbewerber, der zu Unrecht kein Asyl erhalten hat und dann vom Vorwurf des illegalen Aufenthalts freigesprochen wird. Von einem anwaltlichen Kämpfer für das Gute und Wahre unterstützt. Er wird im Prozessbericht zitiert, dass er es merke, wenn ihn die Leute anlügen. Aber ’s ist alles nicht wahr. Auch der erfahrenste Anwalt durchschaut regelmässig nicht, was der Klient raffiniert daherlügt. Und sollte er die Lüge bemerken, beginnt erst recht die Gratwanderung mit hoher Absturzgefahr. Er darf mit der Wahrheit dem Klienten nicht in den Rücken fallen, da steht die berufliche Schweigepflicht entgegen.

Das Mandat kann er regelmässig auch nicht niederlegen. Die Quadratur des Zirkels, es sein denn er verhält sich bewusst wahrheitswidrig und lügt zusammen mit dem Klienten, dass die Balken biegen. Nachweisen kann man das praktisch nie. Weshalb es vor Gericht immer häufiger geschieht. Das ist dann nicht einmal mehr wohlschmeckend. Und für den Prozessgegner verheerend.

’S war eben einfach nur alles nicht wahr.

 

 


Adrian Ramsauer,
9.5.2016, 115. Jahrgang, Nr. 130.

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