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«Wandzeitung» vom 5.9.2016:

Ein Plädoyer für eine liberale Unternehmenskultur (Teil 1):

Prinzipliberal.

Sind liberale Unternehmungen so liberal, dass man darin liberal kommunizieren kann? Mit Prinzipliberal™ meine ich, dass in liberalen Unternehmungen, nach Massgabe von Liberalität, jede mitarbeitende Person ihre Angst haben darf und fürchten kann, was sie als furchterregend ansieht. Es ist also nicht das Fehlen von Angst, das eine liberal geführte Unternehmung ausmacht.

Eine offene Kommunikationskultur unterscheidet sich von einer funktional geführten in der Frage, ob die einzelnen Menschen innerhalb einer Organisation (Unternehmung, Verwaltung etc.) ihre Angst offen kommunizieren dürfen oder ob ihnen diese Offenheit mit stillen oder ausgesprochenen Vorschriften verboten wird. Eine Unternehmung ist erst dann liberal geführt, wenn die einzelnen Mitarbeitenden fürchten dürfen, was sie jeweils als Bedrohung zum Beispiel in der Organisationsentwicklung ansehen. Das Gegenteil wäre der Fall, wenn sie in Klausuren und in regelmässigen Sitzungen, gar in Mitarbeitergesprächen nur fürchten sollen, was andere ihnen als Bedrohung oktroyieren. Ein Sounding Board in einem Unternehmen würde über diese erweiterte Fragestellung rasch Auskunft geben und eine wahre Mitarbeiterzufriedenheit ans Licht bringen. Sind heutige Führungsverantwortliche so liberal, dass sie von einer funktionalen Führung absehen können? Wenn ja, wie könnte eine solche freie und kreative Führung aussehen?

Angst haben dürfen und sich frei fürchten dürfen, entspricht einer liberalen Kommunikationsstruktur. Alle Anzeichen deuten aber daraufhin, dass in Unternehmungen und Verwaltungen trotz besseren Wissens über Entscheidungskreativität die Angst vor der freien Äusserung wächst. Das bedeutet, dass die Befehlsstruktur in Organisationen, in der niemand Angst haben darf und der Einzelne sich nach Vorschrift fürchten soll, zunimmt. Wenig erstaunlich ist es, dass dieses Thema trotz liberal gesinnter Einstellung in unserer Gesellschaft nach wie vor weitgehend tabuisiert wird und der Befreiungsschlag aus diesem Dilemma vieler Führungsverantwortlicher sich in die Hoffnung auf Moralvorschriften beschränkt, wie es Denkmodelle der katholischen und protestantischen Wirtschaftslehre vorgeben.

Mit Prinzipliberal™ halte ich an der Veränderbarkeit der einzelnen Menschen durch Einsicht und Vernunft und an der Veränderbarkeit der Motivation fest. Ich wähle deshalb mit Prinzipliberal™ einen Gegenentwurf zum illiberalen Menschenbild. Das illiberale Menschenbild geht in den katholischen und protestantischen Denkmodellen, also in der herkömmlichen und heutigen christlichen Wirtschaftslehre von dem methodischen Postulat einer unveränderlichen, egoistisch vorprogrammierten Menschennatur aus. Dieses naturfeindliche Menschenbild, das in der Aufklärungszeit entgegen allen Unkenrufen sogar noch philosophisch manifestiert wurde, lehne ich ab und betone dafür die je eigene Überzeugung und Motivation, nämlich die Fähigkeit Gefühle zu zeigen. Dieses Naturbild verleiht Prinzipliberal™ seinen modernen Charakter.

 


Heiner Dübi,
5.9.2016, 115. Jahrgang, Nr. 249.

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