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«Wandzeitung» vom 11.12.2016:

Wird die Geschichte Fidel Castro freisprechen?

Lebenselixier der Hoffenden.

Kann die Revolution ein Gesicht haben? Diese Frage werden Millionen Menschen auf dieser Erde mit Ja beantworten: Dieses Gesicht hat eine markante Nase, blaue Augen unter buschigen Brauen und ist gerahmt von einem stattlichen Vollbart. Oder einfach gesagt: Es ist das Gesicht von Fidel Castro. Ebenso verhasst bei den Reichen und Privilegierten wie vergöttert bei den Habenichtsen, den Ausgebeuteten und Hoffenden des amerikanischen Kontinents und weit darüber hinaus. Dieses zutiefst Umstrittene wird auch nach seinem Tod nicht an Trennschärfe verlieren, und das wird wohl in seinem Sinne sein.

Revolution beginnt nicht mit Versöhnung, konnte sie nicht in einem Hinterhof der USA. Für den Riesen im Norden war die Insel Kuba nicht mehr als Bordell, Spielkasino und Zuckerdose. Und damit das so bleibe, stützten sie dort ein parasitäres und brutales Regime. Dieses zu beseitigen, war Ziel der von Fidel Castro angeführten Revolte.

Sie gelang, und die Helden der Sierra Maestra waren unversehens konfrontiert mit dem mächtigsten aller Feinde und hineingeworfen ins Räderwerk der Weltgeschichte. Fidel Castro und die Seinen mussten mit Bitterkeit erkennen, dass dieser grosse Staat im Norden zwar die grausamsten Diktaturen Amerikas tolerierte, wenn er sie nicht gar selbst erschaffen hatte, – nicht aber das neue Kuba. Das prägte das Handeln Fidel Castros und seiner Guerilleros, die nun Regierung waren. Zu sehr, zu lange?

Die Revolution muss sich wohl erst erst einmal behaupten, und wann dieser Zeitpunkt erreicht, eine tolerantere Gesellschaftsauffassung möglich ist, ohne alles Errungene aufs Spiel zu setzen, ist eine der grossen Fragen auf der Suche nach dem linken Stein der Weisen. Nicht zuletzt die beiden Brüder, Raoul und Fidel Castro, wussten da trefflich mitzustreiten.

Im Gegensatz zu seinen grandios gescheiterten Verbündeten im Osten Europas vermittelte Fidel Castro nie den Eindruck, er glaube, im Besitz vermeintlich ewiger Wahrheiten zu sein. Er war stets Realist, sah sich und seine Revolutionäre als mühevoll, aber mit Kühnheit und ohne Zaudern von Stein zu Stein sich vorwärts Tastende im reissenden Strom der Geschichte. Mit offenem Ausgang.

Das bewahrte vor jener Überheblichkeit und Blindheit gegenüber dem Leben, auch vor Eitelkeiten, die anderen Führern zu eigen waren, die sich wie er Kommunisten nannten. Und es schuf Selbstbewusstsein. Und zwar genug, um das Lebenselixier der Hoffnung für einen ganzen Kontinent zu sein. Fidel Castro entgegnete seinen Anklägern nach dem gescheiterten Sturm auf die Moncada-Kaserne im Jahre 1953: «Verurteilt mich, die Geschichte wird mich freisprechen.» Wird sie das? Zumindest die Geschichte der sozialen Revolutionen hat es längst getan.


Ludi Fuchs,
11.12.2016, 115. Jahrgang, Nr. 346.

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Standpunkte:

12.12.2016, 10:00 Uhr.

Veronika Herzig schrieb:

Diesem, mit Herz und Verstand geschriebenen Artikel, gibt es nichts beizufügen. Er beweist, dass man Fidel Castro und die cubanische Revolution samt ihren Errungenschaften wertschätzen kann, ohne ein «ewiggestriger Linker» oder «unrealistischer Sozialromantiker» (was ist das eigentlich?) zu sein. Meine Frage: Wo trifft man Dich, Ludi Fuchs? Warum liest man nicht mehr von Dir Erdachtes und Geschriebenes?
Sehr geehrte Frau Herzig. Ludi Fuchs schreibt auch im kommenden Jahr: Immer am 11. jedes Monats. Guido Blumer.


12.12.2016, 08:47 Uhr.

Rosmarie Schoop schrieb:

Danke für den klugen Artikel. Er ist nüchtern und treffend geschrieben. Hier hat sich jemand seine eigenen Gedanken gemacht zu Kuba und Fidel Castro. Der Artikel ist eine Wohltat, auch weil er sich abhebt vom Copy-paste-Journalismus. Gut, dass es in der «Wandzeitung» Platz hat für journalistische Eigenleistungen die sich von der «Volksmeinung», die ja in erster Linie von den Medien beeinflusst wird, unterscheiden. In einer anderen Zeitung wäre dieser Artikel wohl nicht veröffentlicht worden, auch nicht in der WOZ, die sich in der Haltung Kuba gegenüber nicht vom Zürcher «Tagesanzeiger» unterscheidet. Da informiert die NZZ besser. Oder eben die «Wandzeitung».


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