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«Wandzeitung» vom 27.7.2016:

Der Gang zum Bahnhofskiosk ist ein Sonntagsritual:

Türkei, Nizza, Trump.

Der Gang zum Bahnhofskiosk ist ein Sonntagsritual. Kürzlich fiel mir die spezielle Gestaltung der NZZ am Sonntag auf: Auf drei Viertel der Frontseite standen drei aktuelle Bilder gleichwertig, nebeneinander. Darüber der Titel: «Das erschüttert die Welt». Von links nach rechts darunter die Bilder des fehlgeschlagenen Militärputschs in der Türkei, eines trauernden Angehörigen des Attentates von Nizza sowie von Donald Trump vor der Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Republikaner.

«Gewagt», dachte ich im ersten Moment, Donald Trump in eine Reihe mit einem Putschversuch und einem Attentat zu stellen. Dennoch stehen für mich diese drei «Ereignisse» je für etwas, was bis vor kurzem unvorstellbar schien und bezeichnend ist für das aktuelle Weltgeschehen. Die Tatsache, dass extreme Kräfte Aufwind erhalten und anstelle der Pflege gemeinsamer Werte die Gegensätze sich verschärfen und die Spaltung auf allen Ebenen zuzunehmen droht.

Der niedergeschlagene Putsch in der Türkei steht wohl für eine Zäsur, die wenig Hoffnungsvolles verheisst. Nachdem Recep Tayyip Erdogan als Hoffnung für Fortschritt und eine westliche Annäherung angetreten ist, hat er seine Macht kontinuierlich ausgebaut und Züge einer Allein- und Willkür-Herrschaft entwickelt. Die ersten Reaktionen auf die Niederschlagung des Putsches wie Massenverhaftungen, Amtsenthebungen von Richtern sowie das Kokettieren mit der Wiedereinführung der Todesstrafe lassen befürchten, dass die Spaltung der Türkei noch einmal erheblich vorangetrieben wird.

Der Anschlag am 14 juillet in Nizza wiederum hat, im Gegensatz zu den bisherigen Anschlägen, nicht dazu geführt, dass die politischen Parteien und die Gesellschaft zusammenstehen und den Erhalt der mit diesem Land eng verbundenen Werte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit propagieren. Vielmehr werden Schuldige in Politik und Gesellschaft gesucht, was das Zusammenleben der Grande Nation gefährdet.

Dass es überhaupt soweit kam, dass Donald Trump als Kandidat der Republikaner, der Partei von Abraham Lincoln, nominiert wird, hat auch mit einer Radikalisierung zu tun. Zwar hat sich die Grand Old Party in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend konservativer gegeben, evangelikalen Kreisen und der Tea-Party-Bewegung angebiedert. Die bevorstehende Nomination von Donald Trump zeigt aber auf, dass die staatstragende Partei die Kontrolle über ihre Basis komplett verloren hat. Selten hat ein amerikanischer Politiker derart polarisiert und das Land gespalten – im Falle einer Präsidentschaft würde sich dies zuspitzen, und zwar nicht beschränkt auf die Vereinigten Staaten sondern mit Auswirkungen auf die ganze Weltpolitik.

Autoritäre Regimes wie in der Türkei, Attentate wie in Nizza und der Aufstieg rechtsnationalistischer Populisten wie Donald Trump scheinen zu unserer Zeit zu gehören. Es liegt aber an uns, wie wir mit diesen Realitäten, so sie nicht zu verhindern sind, umgehen: Bewahren wir unsere rechtsstaatlichen Grundwerte, stehen solidarisch zusammen und fördern den Dialog und die gemässigten Kräfte – oder lassen wir uns spalten und spielen damit den Extremisten und Fundamentalisten in die Hände?

 


Nicolas Galladé,
27.7.2016, 115. Jahrgang, Nr. 209.

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