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«Wandzeitung» vom 27.10.2016:

Die Philippinen, Nordkorea, Russland, Polen oder Ungarn lassen grüssen:

Ein Trump kommt selten allein.

Konfettiregen in rotweissblau, durchgestylte Bühnenshow, untermalt durch hymnische Klänge – dann der Auftritt des Präsidentschaftskandidaten. Das ist in etwa das, was einem von Nominationsparteitagen bei den US-Präsidentschaftswahlen in Erinnerung bleibt. Und es ist diese inszenierte Show, die Polit- und Parteistrategen im Rest der Welt krampfhaft versuchen, zu kopieren. Dies ist mit ein Grund, weshalb häufig der Begriff «Amerikanisierung von Wahlkämpfen» verwendet wird. Bezüglich Personalisierung, Medialisierung und Professionalisierung von Wahlkämpfen. Letzteres setzt natürlich auch immense finanzielle Mittel voraus, die man benötigt, um in den Vorwahlen bestehen zu können und erst recht den Hauptwahlkampf bestreiten zu können. Aktuell schauen wir mit einer eigenartigen Mischung von Faszination und Angewidertheit auf den Wahlkampf zwischen Donald Trump und Hillary Clinton, die auf die Zielgerade einbiegen. Insbesondere das Phänomen Trump stellt Europa, das in vielerlei Hinsicht zeitverzögert und in kleinerem Massstab Campaigning-Trends aus den USA übernimmt, vor die bange Frage, was das für uns bedeutet und ob solche Entwicklungen auch in unseren Breitengraden denkbar ist.

Nun, in vielerlei Hinsicht muss man feststellen, dass sich Trump in «bester Gesellschaft» befindet. Autoritäre, reaktionäre, narzisstische Typen à la Trump sind quer über den Globus en vogue: Die Philippinen, Nordkorea, Russland, Polen oder Ungarn lassen grüssen. Und im Gegensatz zu Trump, der ankündigte, er würde Hillary Clinton hinter Gitter bringen, setzt dies die Türkei zehntausendfach um – und muss Kriminelle aus dem Gefängnis entlassen, um Platz für die politischen Häftlinge zu schaffen.

Die zweite TV-Debatte zwischen Clinton und Trump wurde von vielen Medien als die Schlimmste in der Geschichte bezeichnet. Wenn ich mich allerdings an die Berichterstattung über das TV-Duell im österreichischen Präsidentschaftswahlkampf erinnere (genau: derjenige, der wenn auch mit etwas Verzögerung, wiederholt wird), hatten wir ein ähnlich tiefes Niveau vor nicht allzu langer Zeit in nächster Umgebung beim östlichen Nachbarn.

Das wirkliche Alleinstellungsmerkmal am Phänomen Trump ist, wie er sich gegen das gesamte Establishment der Republikaner durchsetzt – und in der Schlussphase, den Wahlkampf nicht nur gegen Hillary Clinton und die Demokraten, sondern auch noch gegen die eigene Partei zu führt. Eigentlich kann das nie und nimmer aufgehen. Nur kann man sich bei Trump nie wirklich sicher sein.

Beschäftigen muss uns im Sinne einer Lehre aus dem US-Wahlkampf 2016 deshalb weniger das Phänomen Trump, sondern vielmehr das Versagen der Republikanischen Partei. Zwar ist zum heutigen Zeitpunkt unvorstellbar, dass eine staatstragende europäische Volkspartei ähnlich den Republikanern von einer einzelnen Person, einem Outsider, einem «unfriendly takeover» ähnlich übernommen wird. Aber das Vakuum, das die einst traditionellen, staatstragenden Volksparteien in über lange Zeit parteipolitisch stabilen und berechenbaren Staaten wie Österreich, Frankreich oder auch Deutschland zunehmend hinterlassen, könnte durch Parteien gefüllt werden, die Trump nicht unähnlich sind.


Nicolas Galladé,
27.10.2016, 115. Jahrgang, Nr. 301.

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