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«Wandzeitung» vom 22.10.2016:

Der Nutzen liegt durchaus auch bei den Jung-Seniorinnen und -Senioren:

Länger arbeiten?

Die Reform der Altersvorsorge 2020 ist eine der wichtigsten Reformen unseres Landes seit Jahrzehnten. Das zwar komplexe, aber sehr ausgewogene 3-Säulenmodell der schweizerischen Altersvorsorge ist weltweit einzigartig und auch bewundert für seine hohe soziale Sicherheit im Alter. Angesichts der wachsenden Lebenserwartung und infolge Eintritts der «Babyboomer»-Generation in den Ruhestand, schreibt die AHV jetzt schon rote Zahlen. Misslingt die Reform, steigt das jährliche Defizit in der AHV bis 2030 auf über 7 Milliarden Franken jährlich. Da sich das Verhältnis von Erwerbstätigen, die die Renten der Seniorinnen und Senioren finanzieren, immer mehr zulasten der Erwerbsgenerationen verschiebt und die Generationensolidarität strapaziert, besteht die dringende Notwendigkeit einer möglichst generationengerechten Reform, die den AHV-Fonds nicht weiter plündert und die Renten langfristig sichert. Praktisch alle Menschen in unserem Land sind früher oder später direkt betroffen von den Entscheiden, die das Parlament bei der Reform der AHV und der 2. Säule fällt. Das Konzept der gegenwärtigen Ratsmehrheit geht von einem Interventionsmechanismus aus, der bei einer bestimmten anhaltenden Unterdeckung des AHV-Fonds ausgelöst wird und bedeutet, dass das Rentenalter in Schritten bis 67 Jahren angehoben wird. Obwohl für die Linke tabu, geht auch der Bundesrat von dieser Erhöhung aus, jedoch nicht in der anstehenden Revision. Die nächste Zeit wird es erst deutlich zeigen: In 10 Jahren wäre die Schweiz zusammen mit Frankreich wahrscheinlich das einzige Land in Europa mit Rentenalter 65, alle andern sind bereits daran, es schrittweise anzuheben als Automatismus. Schweden und Norwegen zum Beispiel koppeln das Rentenalter direkt an die durchschnittlich zu erwartenden Lebensjahre.

Vielleicht ist der Gedanke der Rentenalter-Erhöhung fälschlicherweise ein Feindbild. Sie ist ja in gewissem Sinn logisch, weil eine höhere Lebenserwartung auch eine längere Erwerbstätigkeit erfordert, wenn man die Rente nicht kürzen will und auch nicht einfach zu höheren Lohnbeiträgen oder Steuern bereit ist. Der Zeitpunkt jedoch ist entscheidend. Er erfordert als Voraussetzung einen Denkkulturwandel bei den Arbeitgebern. Erst wenn die Wirtschaft den Tatbeweis erbringt, ältere Stellensuchende wirklich anzustellen, könnte ein höheres Rentenalter auch eine Chance sein.

Die Hochaltrigkeit ist ja Ausdruck eines gewaltigen Fortschrittes. Man spricht vom neuen 3. Alter vor dem 4. Alter, das dann oft mit grösserer Gebrechlichkeit verbunden ist. Aber davor liegt eine lange Zeitspanne von über zehn geschenkten, meist noch gesunden, produktiven Jahre. Sie können erfüllend sein ohne Arbeit, aber für viele durchaus auch mit längerer Erwerbsarbeit. Ist doch die gesellschaftliche Legitimation um vieles höher, wenn diese Jahre teilweise noch mit der Arbeitswelt verbunden sind. Länger zu arbeiten ist also nicht per se negativ oder nur der Ausweg aus der Finanzierungslücke. Der Nutzen liegt durchaus auch bei den Jung-Seniorinnen und -Senioren selbst, die nicht abgehängt werden, sondern weiter eine gesellschaftlich wichtige Rolle spielen.


Maja Ingold,
22.10.2016, 115. Jahrgang, Nr. 296.

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