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«Wandzeitung» vom 5.10.2014:

Hommage an die Schwerelosigkeit:

Wider das Erblinden.

Siehst du wie leicht sie schwebt? Wie von Watte getragen, liebkost sie mit ihren Federn die Sonne, ermahnt mit ihrem Herzen den Mond. Federleichtes Rauschen zwinkert ihr aus den Augen befreundeten Planeten zu. Fremdheit kennt sie nicht. Freiheit kennt sie wohl. Laut tosen und toben die Wellen. Sie, die Schwerelose, wird von den Wellen im All wie auf Schwingen getragen, schwimmend wie ein Ball auf dem Meer. Nichts um sie herum ist tot. Überall ist Leben. Nie ist sie allein. Wie lebendige Strahlen aus dem unendlichen All durchdringen Laute ihre verletzbare Haut. Kein Anfang und kein Ende sind ihr in Sicht. Wie Sonne, Mond, Planeten und Sterne durchstreift sie unermüdlich die unendlichen Klänge der galaktischen Gravitation. Die Kräfte heben sich auf. Stehende Wellen lassen sie ihren Platz in der Welt einnehmen.

Es ist die Erde, die eins mit den Galaxien ist. Aus ihrer Macht erstrahlt ihre Sehenswürdigkeit unter den Geschöpfen des kosmischen Alls. Seide umhüllt ihren Körper. Wie ein Organismus in glückseliger Harmonie dreht sie sich im Bad des kosmischen Alls. Wenn sie ihre Seide hebt, dreht sie sich um sich selbst. Sie hebt den Schleier am Tag und umschlingt ihn in der Nacht. Sie ist eine Schönheit unter vielen. Wohlbefinden und Glück durchfluten ihr Herz. Vom innersten Kern wird sie getragen, von innen wird sie belebt. Kein heisser Ofen feuert sie von aussen an.

Die Erde verträgt nur ihre eigene Macht. Sie ist es, die ihre Fühler nach der Sonne streckt und ins Unendliche verstrahlt. Von Liebe getragen lotet sie ihren Platz im Abstand zur Sonne und den Planeten aus und geniesst die dadurch erzeugte Wärme. In dieser Verstrahlung zwischen sich krümmenden Wellen aus Sonne, Mond, den Planeten, dem Unendlichen und ihrer selbst atmet sie nachts den Kosmos ein und strahlt ihn tagsüber wieder aus. Dieses Prinzip lässt sie Schwingen, schwerer in der Dunkelheit, leichter am Tag. Lose dreht sie sich um die eigene Achse mit dem Schwung aus ihrer Mitte. Schwerer und leichter, wie Ebbe und Flut, doch immer schwebend, schwerelos, leicht. Die Erde erzeugt Leben, Ehrfurcht und Würde. Sie formt ihre Steine, ihre Pflanzen, ihre Tiere und ihre Menschen. Kein Anfang und kein Ende durchdringt die Schöne. Sie hat einen Willen. Sie will leben, sie will verstanden werden von den Wesen, die sie tragen und die sie trägt. Die Erde hat Geschichte. Sie will in ihrer Schwerelosigkeit gewürdigt werden wie das Leben eines Stars unter vielen. Es ist unsere Aufgabe, die Erde zu würdigen. Sieh sie dir an! Sie entkräftet sich ohne Anfang und ohne Ende. Sie leidet!

Wenn wir unser Bewusstsein danach ausrichten, konsequent kosmisch zu sein und nicht stetig der geozentrischen Denkweise zu verfallen – wie es unsere Physiker und Kosmologen tun –, auch wenn wir sie als überwunden glauben, können wir helfen, die grösste Sehenswürdigkeit der Welt, die für uns die Erde ist, zu erhalten. Dafür brauchen wir bessere Partner als die heutige Wissenschaft uns vortäuscht zu sein.


Heiner Dübi,
5.10.2014, 113. Jahrgang, Nr. 122.

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