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«Wandzeitung» vom 24.6.2015:

Automatischer Informationsaustausch:

Sollen und wollen wir alles wissen?

Mel Gibson alias Nick Marshall ist auf dem Weg zu seiner Werbeagentur. Aber etwas ist an diesem Morgen auf seinem Arbeitsweg quer durch Chicaco anders. «Habe ich den Herd ausgestellt?», fragt sich die eine. Die nächste Passantin sinniert über ihren Zyklus. Es dauert eine Weile, bis Mel Gibson realisiert: Er hört die Gedanken der Frauen rund um ihn herum.

Was Mel Gibson in «What Women Want» passiert, ist einerseits komisch. Hollywood zeigt auf, wie er plötzlich zum Frauenversteher wird und damit seine Chancen bei Dates erhöht und auch von seiner pubertierenden Tochter und deren Freundinnen plötzlich als «cool» bezeichnet wird.

Diese Geschichte ist aber auch Gegenstand einer aktuellen politischen Diskussion. Transparenz wird von allen Seiten gefordert. Die konkreten Forderungen betreffen unterschiedliche Bereiche. Zum einen wird im Zusammenhang mit der Kasachstan-Affäre und den Geschehnissen in der Fifa mehr Transparenz gefordert – aber darüber wurde in letzter Zeit genug geschrieben. Und zum anderen will der Staat aber immer wieder mehr wissen von uns Bürgerinnen und Bürgern. So sollen das Bankgeheimnis gelockert oder Steuerdaten ausgetauscht werden.

Der gläserne Bürger ist auf dem politischen Parkett immer wieder Thema. Die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre» will genau gegen dieses Bild und für den Schutz der Privatsphäre kämpfen. Für diesen wichtigen Grundpfeiler unserer Freiheit, denn private Daten können rasch in falsche Hände geraten und missbraucht werden. Der Schutz der Privatsphäre, insbesondere der finanziellen Verhältnisse, soll in der Schweizer Bundesverfassung genauer festgeschrieben werden. Ein überparteiliches Komitee hat im Herbst knapp 120 000 Unterschriften eingereicht. Damit werden letztlich die Stimmbürger über den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen befinden.

Aber wir geben auch selbst immer mehr preis von uns. Bestellt man online eine Jeans, so erscheint beim nächsten Start des Internets die Werbung einer ähnlichen Hose. Und in den sozialen Medien – insbesondere auf Facebook – dokumentieren gewisse Nutzer das eigene Leben und jenes von ihren Liebsten ganz rege.

Nach anfänglichem Gefallen an seinen neuen hellseherischen Fähigkeiten wünscht sich auch Mel Gibson nichts mehr, als dass er diese wieder verliert. Er möchte gar nicht wissen, wenn eine Frau Selbstzweifel hegt oder über ihren Kinderwunsch nachdenkt, oder wie sich seine Tochter ihren Highschool-Abschlussball ausmalt. Diese Gedanken beeinträchtigen ihn, sie gehören den betroffenen Frauen und sollen bei ihnen bleiben.

Genau so ist es mit unseren Daten. Mel Gibson wird am Ende wie durch einen Blitzschlag erlöst. Das ist nur in Hollywood möglich. Deshalb ist es wichtig, dass wir an der politischen Front weiterhin für unsere Privatsphäre kämpfen – und dass auch wir selbst sorgfältig und bewusst mit unseren Daten umgehen.

 


Carola Etter-Gick,
24.6.2015, 114. Jahrgang, Nr. 175.

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