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«Wandzeitung» vom 16.5.2015:

Als die Schweiz Lateinamerikas empfand ich es nicht. Und sowieso:

Costa Rica – Natur ist nicht alles.

«Pura vida» sagen die Ticos, die Bewohnerinnen und Bewohner Costa Ricas, oft zum Abschied. Dies heisst so viel wie geniess dein Leben oder carpe diem. Am Flughafen der Haupstadt San José begrüsste mich ein grosses Plakat mit einem Urwald-Foto, viel farbiger Flora und auch Fauna. «Willkommen im glücklichsten Land der Welt», stand darauf. Costa Rica wirbt mit seiner Natur, mit pura vida, reinem Leben. Schöne Städte hat das Land nicht zu bieten.

Ein Anthropologe, den ich an einer Totenwache kennenlernte, erklärte mir, dass die Durchschnitts-Ticos erst jetzt beginnen, ein gewisses ökologisches Bewusstsein zu entwickeln. Ironischerweise wird Costa Rica schon lange mit dem Öko-Image beworben. An vielen Orten, nicht nur in der Altstadt San Josés und an Strassenrändern im Landesinnern, sah ich immer wieder Abfall. Ich traf Touristen, die schwärmten von der Sauberkeit und den vielen Abfallbehältern und dass sich die Europäer und andere eine grosse Scheibe von diesem Öko-Bewusstsein abschneiden könnten. Leider gelangte ich nicht an solche beispielhafte Orte. Ich glaubte den Touristen natürlich, dachte mir aber, dass die Bungalow-Anlagen und deren Umgebung wohl besonders gut gepflegt werden, um das Bild vom Land mit der intakten Natur zu zementieren. In einer Nachrichten-Sendung am Fernsehen sah ich jedenfalls, wie Abfälle aus der Hauptstadt in die umliegenden Flüsse gelangen, und schliesslich nahe gelegene Nationalparks kontaminieren und dass dies noch ein ungelöstes Problem ist.

Der Anthropologe erklärte mir ebenso, dass Costa Rica mit einem sehr fruchtbaren Boden gesegnet ist. Auf der vulkanischen Erde wachse praktisch alles, deshalb gehe es den Bauern in Costa Rica recht gut. Da sie über die finanziellen Mittel verfügten, verwendeten sie aber Pestizide und andere Gifte, die letztlich in den Nahrungsmitteln landeten. Deshalb sei Magenkrebs in Costa Rica weit verbreitet. Der Mann, für den die besagte Totenwache war, verstarb übriges daran.

An die Schweiz erinnerten mich in Costa Rica nur gewisse Landschaften, aber das kommt in anderen Ländern ja auch immer wieder vor. Der Anthropologe meinte, die Ticos und die Kolumbianer seien sich viel ähnlicher als die Ticos und etwa die benachbarten Panameños. Denn Panamá sei schmal, praktisch eine Insel, und die Bewohner glichen in ihrem Temperament eher den Karibik-Völkern als den Ticos. Costa Rica aber sei hügelig, so wie Kolumbien vielerorts, deshalb sei auch die Wesensart der Menschen ähnlich. Costa Rica kam mir arm vor. Ich wusste schon, dass San José keine Schönheit ist und auch, dass man nicht daran vorbeikommt, wenn man das Land bereisen will. Aber dass sogar in der Fussgängerzone der Altstadt Müll herumliegt, schockierte mich doch.

Die Anzahl Polizisten, die zu Fuss oder auf Fahrrädern in San José ihre Präsenz markieren, befremdete mich. Aber anscheinend ist das grosse Aufkommen notwendig. Mehrere Male wurde ich von Einheimischen eindringlich davor gewarnt, auch am hellichten Tag gewisse Strassen entlangzugehen. Trotz allem – wer gerne im Urwald ist und eine Wahnsinnsfreude hat an exotischen Tieren, der wird wohl von Costa Rica begeistert sein.


Rosmarie Schoop,
16.5.2015, 114. Jahrgang, Nr. 136.

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