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«Wandzeitung» vom 28.6.2015:

Der Papst mit dem grünen Namen Franziskus schreibt eine grüne Enzyklika:

«Laudato si – gelobt seist du!»

Päpstliche Verlautbarungen zum Schutz des Lebens, zu den Themen Frieden und Gerechtigkeit hat es schon viele gegeben. Aber die jüngste Schrift vom Papst, der sich bewusst Franziskus genannt hat, geht inhaltlich weiter: Sie ist ein radikaler Aufruf zu Gunsten «unserer Schwester, der Mutter Erde», gleichzeitig auch eine radikale Anklageschrift gegen die Klima- und Umweltsünden. Doch hier sei nicht der flammende Appell des Papstes angesichts der weltweiten ökologischen Katastrophe in den Mittelpunkt gestellt, sondern seine zärtliche Zuwendung zur Schöpfung. Da zeichnet sich eine für die jüdisch-christliche Tradition neue Spiritualität der Naturliebe ab.

Tatsächlich gibt es in der Bibel wenig Glaubensmotive auf Grund von Naturbewunderung. Da, wo die biblischen Texte entstanden sind, hat man die meisten Naturvorgänge den Göttern zugeschrieben: den Lauf von Sonne, Mond und Sternen, Wetterereignisse wie ein Gewitter, die Fruchtbarkeit der Erde – alles Werke der Götter. Dagegen haben sich die monotheistischen Juden und Christen abgegrenzt. Ihr Gott zeigt sich bevorzugt in der Geschichte: so beim Auszug des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten, aber auch in menschlichen Schicksalen und vor allem in prophetischen Gestalten.

Erst ums Jahr 1200 n. Chr. hat Franz von Assisi mit seinem Sonnengesang, der mit «Laudato si» beginnt, ein neues Verhältnis der Christen zur Natur eröffnet. Franziskus lobt in diesem Lied Gott für Schwester Sonne und Bruder Mond und die Sterne, für alle vier Elemente, die er auch als Schwestern und Brüder bezeichnet, ja am Schluss sogar für den Bruder Tod – eine ausserordentliche Dichtung, die die Präsenz Gottes in der Natur wahrnimmt und uns Menschen in eine familiäre Beziehung zu den nicht-menschlichen Mitgeschöpfen stellt. Über diesen Heiligen schreibt der Jesuiten-Papst in der Enzyklika ausdrücklich (Nr. 10): «Ich nahm seinen Namen an als eine Art Leitbild und als eine Inspiration … An ihm wird man gewahr, bis zu welchem Punkt die Sorge um die Natur, die Gerechtigkeit gegenüber den Armen, das Engagement für die Gesellschaft und der innere Friede untrennbar miteinander verbunden sind.»

Das ist wahrlich aktuell! Denn einerseits fordert uns die bedrohliche Umweltzerstörung heraus, uns unserer Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung bewusst zu werden. Darum ist es gut, wenn der biblisch orientierte Glaube den Auftrag der Schöpfungserzählung «Macht euch die Erde untertan!» nicht als Freipass für die Ausbeutung der Natur durch den Menschen versteht, sondern zusammenliest mit der anderen Aufgabe des ersten Menschen: den Garten Eden – unsere Welt – «zu bebauen und zu behüten».

Andererseits könnte uns eine neue Schöpfungsfrömmigkeit weit über die Grenzen der Religionszugehörigkeiten verbinden. Jetzt in der sommerlichen Zeit gibt es Gelegenheit zu vielen Naturerlebnissen – am Meer, in den Bergen, an einem See, im Wald, mit Tieren und Pflanzen. Vielleicht kommen wir dabei so richtig ins Staunen über die Wunder der Natur. Und stimmen ein ins Lied: «Laudato si – gelobt seist du!»

 

 


Hugo Gehring,
28.6.2015, 114. Jahrgang, Nr. 179.

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