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«Wandzeitung» vom 13.12.2015:

Frohe Weihnachten:

Bleiben noch Ochs und Esel übrig.

Es gibt sie noch, die schönen Weihnachtsgeschichten, die das Leben und letztlich die Menschen schreiben. Umgekehrt ist nicht immer alles adventlich gegen Ende Jahr. Aber mal schön der Reihe nach: Vor kurzem traten die neu gewählten National- und Ständeräte zur Wintersession in Bern zusammen. Seither dürften sie auch schon die erste wichtige und spannende Entscheidungen gefällt haben: Die Wahl eines neuen Bundesrats – und voraussichtlich die Wiederwahl der bisherigen sechs Bundesräte und Bundesrätinnen. Insbesondere die SVP-Fraktion hat zahlreichen Zuwachs erhalten. Unter den neu gewählten Fraktionsgschpänli befinden sich auch solche, die ihre Bekanntheit und damit auch ihre Wahl eher zweifelhaften Auftritten und Aussagen verdanken. Andreas Glarner ist einer aus dieser Kategorie.

Der ehemalige Fraktionschef der SVP im Aargauer Grossrat machte bisher mit besonders primokativen Plakatkampagnen auf sich aufmerksam. Berühmt-berüchtigte Slogans mit entsprechender Bebilderung lauten etwa: «Maria statt Scharia», «Aarau oder Ankara?», «Kopf hoch statt Kopf ab» (Letzteres ist keine Bewertung im Rahmen einer Bier-Degustation). Der provokative Parlamentarier kann aber auch ganz anders und handfest: Als Gemeindepräsident der Gemeinde Oberwil-Lieli hat er sich bisher von der Verpflichtung freigekauft, seinen Anteil an der Aufnahme von Flüchtlingen zu leisten. Das kommt daher, dass dies im Aargau möglich ist. Neuerdings wurde aber der Ablass-Betrag wesentlich erhöht. Von 10 Franken pro Flüchtling und Tag auf neu rund 3000 Franken pro Flüchtling und Monat. Um sich also von dieser Verpflichtung zu befreien, hat der Gemeindepräsident im Budget 290 000 Franken eingestellt. Die eigene Gemeindeversammlung, angeführt von einer jungen, couragierten Studentin, hat diesen Betrag nun aus dem Budget gestrichen. 290 000 Franken Freikaufprämie von einer Gemeindeaufgabe schienen dann auch den Einwohnern einer der reichsten Gemeinde im Aargau etwas gar viel. Denn das steht fest: aus der Distanz betrachtet: Andreas Glarner ist nicht nur ein schlechter Mensch, sondern auch ein miserabler Finanzpolitiker. Immerhin einer, der jetzt in Bern ist. Seinen neuen Popularitätsschub, der ihn im Wahlkampf in den Nationalrat spülte, hatte er einem auf Facebook verbreiteten Beitrag im ARD-Morgenmagazin zu verdanken. Auf die Frage des Journalisten: «Was sagen Sie zu einer Familie, die am Grenzzaun steht? Einer Mutter mit zwei kleinen Kindern, die verzweifelt ist und in Europa um Einlass und Schutz bittet?", antwortete er: «Sie haben die Reise vergebens gemacht.» Und auf die Nachfrage, was sie denn machen sollten, präzisierte er: «Umkehren.» Er begründete seinen Entscheid damit, dass sie potentielle Sozialhilfebezüger seien, die der Schweiz ewig auf der Tasche liegen würden.

Der ARD-Reporter meinte zum Schluss des Beitrags konsterniert: «Ansichten, die anderswo als rechtsradikal gelten, sind bei Ihnen also salonfähig.» Wer also anderswo als rechtsradikal gilt, wird hier Nationalrat. Da kommt mir doch, um wieder etwas adventlich zu werden, spontan in den Sinn: «Bei einer Weihnachtskrippe ohne Araber, Afrikaner, Juden und Flüchtlinge bleiben nur noch der Ochs und Esel übrig. Frohe Weihnachten.»

 


Nicolas Galladé,
13.12.2015, 114. Jahrgang, Nr. 347.

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